Blog-Beitrag

Agentur skalieren? Eine kritische Betrachtung

Der Wunsch nach Skalierbarkeit ist nicht nur in der Start-Up-Welt häufig zu hören. Skalierbar ist ein Geschäftsmodell, dass ohne fortlaufende zusätzliche Investitionen in die Produktionsmittel und damit ohne steigende Fixkosten zu deutlich steigenden Umsätzen und Gewinnen führt – weitestgehend unabhängig von den physischen Kapazitätsgrenzen eines Unternehmens. Dies wird als positive Skaleneffekte bezeichnet. Es gibt beispielsweise im Internetbereich Unternehmen, bei denen sich solche positiven Skaleneffekte beobachten lassen.

TL;DR

Skalierbarkeit: Für Agenturen schwer umsetzbar, da mehr Mitarbeiter oft steigende Kosten und sinkende Effizienz bedeuten.

Negative Effekte: Komplexität, höhere Transaktionskosten, sinkender prozentualer Gewinn.

Lösung: Fokus auf optimale Ressourcennutzung und wertbasierte Preisgestaltung statt Stundensätzen.

Fazit: Skalierung erfordert smarte Ressourcennutzung, nicht einfach mehr Mitarbeiter.

Sind diese positiven Skaleneffekte aber auch bei Dienstleistungsunternehmen wie beispielsweise Agenturen zu erwarten? Bei Unternehmen also die überwiegend ihre Wertschöpfung dadurch erbringen, dass die dort arbeitenden Menschen ihren Kunden ihr Können, Wissen und Erfahrung zur Verfügung stellen? Gegenwärtig bedeutet in Agenturen »Skalierbarkeit« meist Folgendes: Mehr Mitarbeiter, in der Erwartung, dass diese mehr Kundenaufträge bearbeiten können. Mehr Mitarbeiter bedeutet aber zuallererst mehr Ausgaben, und dies trägt damit bereits im Kern einen Widerspruch zu obiger Definition von Skalierbarkeit in sich.

Hält diese Prämisse der Wirklichkeit stand? Menschliche Organisationen sind keine linearen Systeme, sondern zeichnen sich im Gegenteil vor allem durch ihre Nichtlinearität aus. Es gibt hier eben keine einfachen (»linearen«) Ursache-Wirkungsbeziehungen. Die in diesem Sinne »lineare« Vorstellung, nach der mehr Mitarbeiter prozentual zu mehr Gewinn führen, ist in Wirklichkeit bei Agenturen selten zu beobachten. Noch seltener beobachtbar die Vorstellung, dass mehr Mitarbeiter zu deutlich mehr prozentualem Gewinn führt. Mehr Kunden führen nur bis zu einem gewissen Punkt zu eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. Die Bearbeitung von (zu) vielen Projekte gleichzeitig ist nur bis zu einem gewissen Punkt möglich. Ab einem gewissen Punkt sorgen mehr Projekte gleichzeitig für eine Verlangsamung und Verschlechterung. Damit ist in Wirklichkeit das Gegenteil wahrscheinlich: Mehr Mitarbeiter, mehr Projekte mehr Kunden, führt dementsprechend nicht zu mehr Gewinn, sondern prozentual sinkt dieser.

Wer von Skaleneffekten spricht, übersieht, dass es nicht nur positive Skaleneffekte gibt. Ein Kapazitätsaufbau durch mehr Mitarbeiter und Kunden zieht auch negative Skaleneffekte nach sich, so wie ein Medikament neben der erwünschten Wirkung eben auch unerwünschte Wirkungen mit sich bringt. Aber diese negativen Skaleneffekte werden selten angesprochen. Dabei sind einige dieser negativen Skaleneffekte offensichtlich, besonders wenn das Geschäftsmodell im Kern lautet, dass »Stunden« und »Zeitaufwände« der Mitarbeiter abgerechnet und verkauft werden. Sind die Stunden eines Mitarbeiters »voll«, müssen weitere Stunden bei neuen Mitarbeitern eingekaut werden. Dieser lineare Zusammenhang erhöht die Fixkosten sprunghaft, erhöht aber nur im besten Falle den Umsatz linear.  

Aber dies ist nicht der einzige Grund. Eine kleine Gruppe von Menschen verhält sich anders, wie eine Gruppe von vierzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Achtzig Menschen wieder anders als vierzig. Während in kleiner Gruppe von wenigen Personen starkes Vertrauen, eine zunehmende »Eingespieltheit« und eine Verbundenheit für niedrige Transaktionskosten sorgen, steigen mit jedem weiteren Mitarbeiter diese – unsichtbaren – Kosten der Aushandlung und Vereinbarung spürbar an. Dies äußert sich im Alltag beispielsweise darin, dass die Anzahl der Meetings und Abstimmung dramatisch zunimmt, und für die eigentliche wertschöpfende Arbeit am Kunden immer weniger Zeit bleibt. Mit jedem weiteren Kunden, mit jedem weiteren Mitarbeiter, mit jedem weiteren Auftrag steigt so die Komplexität, die Arbeitsteilung wird statischer, und die Möglichkeiten zur Wissensteilung als unterschätzte Faktor für erfolgreiches Wirtschaften nehmen ab oder gehen ganz verloren.

Dies führt im Alltag zu folgender Beobachtung, die mir in den letzten Jahren unzählige Unternehmerinnen und Unternehmer bestätigt haben: Mit fünf Mitarbeitern blieb unterm Strich prozentual gesehen mehr übrig, als mit zehn. Mit zehn Mitarbeitern mehr als mit zwanzig. Mit vierzig mehr als mit achtzig Mitarbeitern. Während die Einnahmen in absoluten Beträgen mit zunehmender Anzahl an Mitarbeitern steigen (müssen), sinkt der überlebenswichtige Gewinn prozentual. Und nicht nur die Ausgaben steigen und zehren den Gewinn von unten auf. Mit zunehmender Größe sinkt die Wertschöpfung in Bezug auf die vorgehaltene Kapazität der Organisation. Dies tritt erfahrungsgemäß bereits ab Gruppengrößen von etwa zehn Menschen auf, und wird dann zunehmend spürbarer.

Es ist entscheidend, wie mit solch einer Komplexität umgegangen wird. Naheliegend – weil es alle machen – ist der Versuch die Komplexität größer werdender menschlicher Organisationen in den Griff zu bekommen, in dem Methoden eigesetzt werden, die in Wirklichkeit die Transaktionskosten der Zusammenarbeit erhöhen und damit die Wertschöpfung behindern. Hier ist stellvertretend für viele weitere die projektbezogene Zeiterfassung und das stundenbasierte Controlling gemeint. Und die dahinterliegende Idee, dass menschliches Handeln durch Zeitaufwände und Stundensätze gesteuert werden könnten. Ebenso der Irrtum, dass durch Steuerung und Kontrolle des Einzelnen (Mitarbeiter, Projekt, Kunde), das Gesamte (Team, Organisation, Unternehmen) besser wird. Im Gegenteil: Wer so kleinteilig vorgeht, übersieht nicht nur das große Ganze, er schadet dem Großen Ganzen. Der Wunsch nach Plan- und Steuerbarkeit erweist sich bald als das, was er in Wahrheit ist: Eine Täuschung.

Es steigen durch missverstandene Skalierung nicht nur die Ausgaben als unternehmerische Investition. Es steigt vielmehr auch das unternehmerisches Verlustrisiko. In guten Zeiten, wenn die Nachfrage seitens des Marktes hoch ist, mögen solche Gewinne ausreichen, die ein paar Prozent über den Ausgaben liegen, und auch für ein paar Annehmlichkeiten wie ein schnelles Auto und ein schickes Bürogebäude ausreichen. All dies täuscht jedoch darüber hinweg, dass die Möglichkeiten, vorzusorgen für den Fall, dass die wirtschaftliche Situation schlechter wird, sehr begrenzt sind. Was aber wenn die Nachfrage abnimmt? Ist dann ein genügend großes finanzielles Polster vorhanden, dass notfalls das Überleben des Unternehmens für einen genügend langen Zeitraum sichert? In diesem Fall macht zunehmende Größe in Wahrheit zerbrechlicher. Während das Gewinnpotential (Upside) mit zunehmender Größe tendenziell eher sinkt, erhöht sich das Verlustrisiko (Downside) deutlich. Reichen die finanziellen Mittel nur wenige Wochen mag das Ausbleiben eines sicher geglaubten Kundenauftrages nur ein Beispiel sein, das ein Unternehmen schnell in existenzbedrohliche Schieflage bringen kann.

Skalierbarkeit richtig verstanden heißt eben nicht, (linear) durch Kostenerhöhung (mehr Mitarbeiter) zu wachsen, sondern allein durch eine bessere Nutzung der physischen knappen, wertvollen Kapazität. Und diese zum besten Preis am Markt seinen Kunden anzubieten. Und der beste Preis orientiert sich am Wert aus Kundensicht, um die Zahlungsbereitschaften bestmöglich zu nutzen. Knappe Kapazität und bestmöglicher Preis sind die beiden Dimensionen, die es zu verstehen gilt und die es lohnt, gemeinsam umsichtig zu optimieren.

Was folgt aus dieser Erkenntnis? Wer nach Skalierbarkeit strebt, muss sich bewusst machen, dass mit zunehmender Größe unerwünschte, teils paradoxe Effekte auftreten können und werden. Organisation bestehen aus handelnden Menschen, und Menschen verhalten sich eben nicht linear vorhersehbar. Ganz zu schweigen davon, dass sich Kunden und die Umwelt auch nicht vorhersagbar verhalten. Versuchen wir diese Komplexität menschlichen Handelns mit unterkomplexen Werkzeugen wie einem Zeiterfassungs-Controlling zu planen und zu steuern, werden mit zunehmender Größe die erhofften positiven Skaleneffekte verschwinden. Die vorherrschende Methode der Preisfindung mittels Stundensätzen wirkt wie ein Preis- und damit Gewinndeckel. Sie verhindert nicht nur eine freie, gewinnorientierte Preisbildung, sie stört auch empfindlich, dass die Knappheit der Kapazität einer Organisation richtig beurteilt werden kann. Es ist keinesfalls ein Naturgesetz, dass Gewinne auch im Dienstleistungsbereich (wie zum Beispiel bei Agenturen) mit zunehmender Größe prozentual sinken müssen. Dafür benötigt es das Weglassen der Methoden, die eine freie Preisbildung verhindern, denn genau dies erst ermöglicht Skalierbarkeit im besten Sinne.

Markus Hartmann

Der Autor

Markus Hartmann

Ich teile gerne mein Wissen und meine Erkenntnisse. Deshalb schreibe und veröffentliche ich regelmäßig Inhalte rund um das Thema Preisfindung, Führung und Zusammenarbeit sowie unternehmerischem Handeln.

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Simon Künzel

Simon Künzel

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