Blog-Beitrag
Kalkulation und Nachkalkulation
TL;DR
Die verbreitete Methode, Preise auf Basis von Zeitaufwänden und Kosten zu kalkulieren, führt oft zu Konflikten und schadet sowohl der Kundenbeziehung als auch deinem Gewinnpotenzial. Lass uns die Probleme und eine bessere Herangehensweise betrachten.
Das Problem mit Kalkulationen
1. Unzuverlässige Zeitaufwandschätzungen
Schätzungen basieren auf Annahmen über die Zukunft, die per Definition unsicher ist. Unvorhergesehene Hindernisse oder Änderungen machen exakte Vorhersagen unmöglich.
2. Verknüpfung von Zeitaufwand und Preis
Wird der geschätzte Aufwand zur Grundlage des Preises, entstehen Probleme:
- Längere Projektdauer macht die Arbeit scheinbar unprofitabel.
- Schnellere Fertigstellung wird oft nicht honoriert.
3. Nachkalkulation schadet der Beziehung
Nachträgliche Anpassungen führen zu Unzufriedenheit beim Kunden und beschädigen das Vertrauen.
Der neue Ansatz
- Klarheit über Ziele schaffen
Definiere gemeinsam mit dem Kunden das gewünschte Ergebnis, die Erwartungen und die Rahmenbedingungen. So vermeidest du Missverständnisse. - Den Wert verstehen
Konzentriere dich auf den Nutzen, den deine Arbeit dem Kunden bringt. Preise sollten den geschaffenen Mehrwert widerspiegeln, nicht deinen Zeitaufwand. - Rahmen setzen
Grenzen für das Projekt sorgen für Klarheit. Neue Anforderungen können separat behandelt werden.
Vorteile
- Bessere Beziehungen
Klare Kommunikation und ein fester Preis schaffen Vertrauen. - Höhere Zufriedenheit
Kunden schätzen die Planbarkeit und fühlen sich respektiert. - Steigerung des Gewinns
Eine wertbasierte Preisgestaltung ermöglicht es, höhere Preise durchzusetzen.
Preise sind immer ein Ausdruck eines subjektiven Werturteils. Und zwar von beiden Handelspartnern. Damit ist die Entscheidung für oder gegen ein Angebot immer abhängig von der gegebenen Situation, der Notwendigkeit, Wichtigkeit und Dringlichkeit und natürlich auch den verfügbaren alternativen Wegen (zum Beispiel »Nichtstun«). Das soll aber an dieser Stelle nicht das Thema sein, da ich es an anderer Stelle ausgiebig bespreche.
Für die Begründung, warum ich Kalkulation und Nachkalkulation ablehne, reicht nämlich die Betrachtung, wie diese Kalkulation üblicherweise vorgenommen wird. Das gelernte Rezept lautet folgendermaßen: Man schätze die Zeitaufwände der einzelnen »Gewerke«, addiere diese und multipliziere diese mit den sogenannten Stundenverrechnungssätzen. Schlage (Aua!) anschließend munter auf oder vermindere den Betrag solange, bis Du als Verkäufer mit der Zahl zufrieden bist. Und nun: Hoffe, dass der Kunde kauft.
Eine schlimme Verbindung: Zeitaufwandschätzung und Preis
Zeitaufwandschätzung unterliegen hoher Ungewissheit, da sie in der Zukunft liegen. Und kein Mensch weiß, was morgen passiert. Allein die unzähligen Unwägbarkeiten eines »normalen« Arbeitstages machen Zeitaufwandsschätzung willkürlich beziehungsweise lassen sie in Berührung mit der Wirklichkeit unhaltbar werden.
Das soll nicht heißen, dass Schätzungen und Vorhersagen vor allem bezüglich des Liefertermins auf Projektebene und auch auf Aufgabenebene nicht stattfinden sollen. Nein, keinesfalls. Sie sind sinnvoll, notwendig und nützlich. Lediglich zur Preisfindung taugen sie nichts. Schlimmer: In Bezug auf die Preiskalkulation sind sie aus mehreren Gründen verheerend.
Denn haben wir im Kostenvoranschlag einen Zeitaufwand kalkuliert, wird dieser wenn überhaupt nur durch Zufall getroffen. In überwiegenden Fällen wird es nun entweder länger oder auch kürzer dauern. Aus Agentursicht wird nur das »länger« ein scheinbares Problem. Das »kürzer« mag man gerne unter den Tisch fallen lassen. Ob das moralisch in Ordnung ist, steht auf einem andern Blatt.
Dauert es nun länger als »kalkuliert«, habe der Kunde »mehr Zeit« gekostet. Die Zusammenarbeit sei nun »umprofitabel«. Rote Warnlampe. Und nun müsse man das nachkalkulieren, nachtragen und den »Mehraufwand« in Rechnung stellen. Böser Kunde, zahl das gefälligst.
Nein. Damit bestrafst Du den Kunden dafür, dass ihr beide in einer ungewissen Zukunft nicht sehen konntet, was passiert. Und Du bestrafst ihn dafür, dass Du Deine Preise an diese ungewisse Schätzung gebunden hast. Keiner zwingt Dich dazu – nur weil das alle so machen und manch Betriebswirt dies rät? Etwas wird nicht richtiger, nur weil es alle halt so machen.
Wer nachträgt und nachkalkuliert und dies dem Kunden anschließend in Rechnung stellt, der schadet der Beziehung auf vielen Ebenen. Und das geht meist auch nur dann, wenn die Kunden, nicht ihr eigenes Geld ausgeben, sondern lediglich Budgets verwalten. Zum Beispiel im öffentlichen und staatlichen Bereich (siehe Flughafen Berlin-Brandenburg mit ständig steigenden »Kosten«) oder größeren, budgetorientierten Unternehmen und Konzernen. Mal ehrlich: Du weißt das auch, deshalb fühlt es sich so blöd an, wenn man quasi rückwirkend um mehr Geld betteln muss. Nur weil man sich verkalkuliert habe. Und Deine Mitarbeiter hassen das auch. Deshalb machen sie es nicht …
Was ist der neue Weg?
Der neue Weg erfordert von Dir und dem Kunden bereits am Anfang der Zusammenarbeit Klarheit über das zuerwartende Ergebnis. Es erfordert, dass sowohl Du als Könner bereits am Anfang das Ende im Sinn hast, als auch der Kunde sich über seine Erwartung und Hoffnungen klar ist. Wenn Du als Experte nicht weißt, was möglich sein könnte, wer dann? Bist Du ein Könner oder nicht? Anders gefragt: Warum sollte der Kunde mit Dir arbeiten, wenn Du es nicht kannst? Wenn Du nicht die möglichen Chancen, Risiken, Möglichkeiten, Unwägbarkeiten und Grenzen sehen kannst – gemeinsam mit dem Kunden?
Und vor allem erfordert es, dass beide Seiten sich verstehen und Einigkeit darüber besteht, wohin die Reise hingehen soll. Das verlangt natürlich auch Klarheit über das Machbare, das Mögliche und die möglichen Grenzen einer Zusammenarbeit. Ehrlich, offen und um das vielgeschundene Wort zu verwenden: transparent. Richtig. Das erfordert einen vollständig neuen Weg, dieses gemeinsame Verständnis zu schaffen. In dem beide Seiten auch gemeinsam in dieses Verständnis investieren und wechselseitig auf Augenhöhe verstehen, was beide Seiten erwarten.
Besteht diese Klarheit – auch aber nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht – dann findet sich ein möglicher Preis beinahe von allein. Wird dieser Preis von beiden Seiten einem Werturteil unterzogen, das dazu führt, dass wir uns handelseinig werden, dann heißt es nun: In schnellstmöglicher Zeit das bestmögliche Ergebnis zur Begeisterung des Kunden erreichen. Gemeinsam. Reibungslos. Und anschließend freuen und gemeinsam das Erreichte feiern.
Anders gesagt: Egal wie Du in Zukunft auf Deinen Preis kommst, das vorwurfsvolle Hinterherjammern, dass es länger gedauert habe, ist nicht anständig. Es schadet auf vielen Ebenen einer vertrauensvollen Beziehung und einem guten menschlichen Miteinander. Und es zeigt, dass beide Seiten sich eben nicht im Klaren waren. Nochmal: Als Könner ist es Deine Aufgabe für Klarheit und Verstehen zu sorgen. Der Kunde verlässt sich auf Dich! Überlege also lieber, was Du in Zukunft tun kannst, um Ergebnis, Rahmen und Erwartung klarer herauszufinden. Investiere in die Kommunikation mit dem Kunden. Frage! Kläre! Verstehe! Vorher. Nicht erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Überlege auch, warum die Zusammenarbeit und das Ergebnis länger als »geschätzt« gedauert hat. Und lerne daraus für die Zukunft. Denn genau hier liegt die eigentliche Chance für Dich, Deine Agentur und die Zusammenarbeit mit Deinen Kunden.

Der Autor
Markus Hartmann
Ich teile gerne mein Wissen und meine Erkenntnisse. Deshalb schreibe und veröffentliche ich regelmäßig Inhalte rund um das Thema Preisfindung, Führung und Zusammenarbeit sowie unternehmerischem Handeln.